manfred schulze

eine Seite für Catcher und sein baritone ...

Ernst-Ludwig Petrowsky
zum Geburtstag von Manfred Schulze am 17. August 2009

Lieber Manfred !

Zu Deinem 75 (!) – auch in Uschi’s Namen – meine allerherzlichsten Glückwünsche !
Ich weiß, wovon ich rede, denn ich habe meinen „...“- gerade, und nicht gerade mühelos hinter mir und daraufhin beschlossen, Dir `n Brief zu schreiben, anstelle von Blumen, Pralinen, Büchern, Bildern, Schallplatten oder Tonträgern aller Art, die wahrscheinlich als Tsunami-Welle gegen Dich in Marsch gesetzt werden werden.

Aus meiner ganz persönlichen, schon etwas „morschen“ Erinnerungssicht begann Dein Abenteuer mit „STONE“, hochdeutsch:
Die Gerhard Stein Combo.
Sie war in Sachen Tanz- Musik unterwegs, mit einem Bassisten (Günter Hapke), der nebenbei ein Spezialist für die sauber und sanft geblasene Sweet-Trompete und bürgererfreuenden Belcanto-Gesang war (ist?), und der es bis in die Höhen der DDR-Fernsehbeachtung schaffte, während die Band im Chemnitz-nahen Schatten weiter zum Tanz aufspielte, trotzdem aber eine beständige Heimstätte ihrer Mitglieder blieb, auch für Dich, lieber Manfred, der Du mit Deiner Jazz- und Kunst- Leidenschaft weit über jeden tanzmusikalischen Horizont der Kollegenschaft hervorragtest, und Dir wahrscheinlich schon damals (50iger Jahre ?) den furchteinflößenden Spitznamen „CATCHER“ eingefangen hattest.

Der Grund für die „Nestwärme“ bei „Stone“ war u.a. sicher der Bandleader Gerhard Stein, seines Zeichens Tenorsaxophonist::, aber auch Kollege mit einem bemerkenswerten sozial-familiärem Gespür- mehr noch: „feeling“, in das auch Du, lieber Manfred, nach mancher bösen Erfahrung Deiner Revoluzzer-Berg- und Tal- Fahrt gern zurück tauchtest.
Apropos : “ Belcanto-Gesang “ plus Sweet-Trompete plus Legenden-Nebel-Bildung : Ich glaube, hinter der Sweet-Trompete verbirgt sich ein weiterer Musiker der „Stone“-Combo, nicht Günter Hapke; der „Chronist“ bittet um Gnade...

Nach „Stone“ folgte das „Orchester Eberhard - Weise - Görlitz“, eine zehnköpfige (mini)- Bigband mit der Wahnsinns-Vision, wenn nicht grundsätzlich JAZZ, dann doch wenigstens Tanzmusik, gehüllt in reinrassige Jazzarrangements (Hausnummer für Außenstehende: Miles Davis Capitol Orchestra) auf und über die Bühne zu bringen.
Hier ( Gründungsjahr der Weise-Band 1957) trafen auch wir uns, lieber Manfred, inmitten von jazzbesessenen Kamikaze-Musikanten, die die Welt am Jazz genesen lassen wollten und nicht ahnten, auf was sie sich da eingelassen hatten: z.B. Konzerte gab es höchst selten, wir hatten nur einige Verträge für Tanzabende im ländlichen Gebiet zwischen Görlitz und Dresden (Ostsachsen!), wo wir überall nur 1 Mal spielten, dann war „fine“, d.h. „unser“ diesbezüglich tanzwütiges Publikum war regelrecht schockiert über unsere mit Begeisterung vorgetragene Musik und außerstande , die Botschaft als solche zu vernehmen.

Es gab zwar eine Ausnahme in unserem hoffnungslosen Treiben, das war ein von Josh Sellhorn organisiertes Jazzkonzert in Berlin, das sogar die Westberliner Fachwelt in Gestalt von Hans Rainer Lange vom SFB aufhorchen ließ, aber nichts an der Endzeit der Legende „Orchester Eberhard – Weise- Görlitz“ änderte.

Eberhard Weise nutzte die Gunst eines Angebotes der Radio- Bigband Leipzig, beim MDR als Pianist und Chefarrangeur einzusteigen und bald darauf das Bandleader-Podest äußerst kompetent zu beherrschen, während Du, Manfred, Heinz Becker und ich im Tanz- und Schau-Orchester Max Reichelt, Sitz Eberswalde, eintauchten und im Schatten der dort angesagten Tanz-, Schau- und Kur – Kapelle - Galas a lá Café – Haus - Verpflichtungen begannen, an der Idee einer 6-Mann-Band(3 Bläser, 3 Mann Rhythmusgruppe) zu basteln, um 1962 – wieder in Görlitz – das Manfred - Ludwig - Sextett zu gründen.

Das Konzept hieß wieder „JAZZ“, allerdings angesichts einer fehlenden Jazz-Szene mit vorsichtigen Einstreuungen kommerzieller Art in Bezug auf Tanz-Parties bzw. Begleitung sog. „Estraden“ d.h. „bunter Gala-Abende mit Künstlern aller Art, inclusive Artisten und Gesangs-Stars .
Der Band-Name rekrutierte sich aus unseren beiden Namen : MANFRED – LUDWIG - SEXTETT, und obwohl eine Art „demokratischer Alltag“ die Grundatmosphäre stellte, waren wir Beide, Du, lieber Manfred und ich , eine Art „Rädelsführer-Zweierbande“ gegen die Verlogenheit, Doppelmoral, Gedankenlosigkeit und Ignoranz der sogenannten „Massen“ oder auch „Mehrheit des Deutschen Volkes“, in der sogenannte „Kreise“ als Neonazis immer weniger heimlich noch, oder wieder dem Pseudo-Kunst-Maler, genialen Demagogen und gleichermaßen blutrünstigen Psychopathen Adolf Hitler hinterher tapern.
Das Alles war u.a. ein Grundgedanke unseres gemeinsamen Denkens und Handelns, über das Du, lieber Manfred, quasi inzwischen als „Catcher“, bewundernswert leidenschaftlich grenzüberschreitend oft so weit gingst, dass ich als bandgewählter Leader Dir im definitiv existenziellen Interesse unserer Band, unseres Hauptanliegens, nicht immer zu folgen wagte.
Dabei hattest Du konstruktiverweise unserem Repertoire viele sehr wichtige Arrangements beigesteuert, und zwar nicht nur Jazztitel sondern auch Werke zur Stützung trivialer Dorftanzabende, d.h. unseres täglichen Brotes, denn Jazz-Konzerte waren in den 60iger Jahren immer noch relativ seltene Festlichkeiten.

Ein Beispiel für Deine komplexe Vielseitigkeit sei mir zum heutigen Tage erlaubt: „RAMONA“.
DIE Populismus-Hymne, im ¾-taktigen „english-walz-rhythmdress“, hast Du zu einer Art „shuffle-foxtrott“ umdressiert, den wir vom Drummer-Genie Werner „BIMBO“ Gasch auf Trab gebracht, munter dahin-swingen ließen.

Deine späteren ganz andere Wege weisenden Kompositionen für das legendäre MANFRED SCHULZE BLÄSER QUINTETT sind der improvisierenden Avantgarde- Jazz-Jugend und dem anspruchsvollen Fan inzwischen wohlbekannt, ebenso wie Deine für „Normalopathen“ schwer verständlichen aber dynamisch-spektakulären Auftritte und Verkündigungen.

Ohne Zweifel ist in Dir – abgesehen von dem in Sound und Temperament unvergleichlichen 3 Baritonsaxophonisten ( Enkel Pepper Adams ) und Klarinettisten - gleichzeitig ein Philosoph, genialer Komponist, profunder Kenner der griechischen Mythologie und last, but not least, ein sehr unterschätzter Meister von Form und Farbe, sprich: Maler, nicht nur wach, sondern mit Recht auch sehr expressiv laut geworden.

Ergo: Deine komplexe Persönlichkeit lässt definitiv auf ein Universalgenie schließen.
Dieser Gedanke provoziert mich zu dem ganz persönlichen „post scriptum“ an mein „alter ego“ aus alten, aber nachhaltig prägenden Görlitzer Jahren, in dem ich Dir, lieber Manfred , abschließend gestehe: Je älter auch ich werde, um so mehr gerate ich verständnisvoll in Deine Nähe, denn wir sind inzwischen beide zu alt, um noch vor „irgendetwas“ oder gar „irgendwem“ Angst haben zu können oder zu müssen.
Dein Kampfgefährte gegen den „REST DER WELT“

Luten- alias Ernst-Ludwig Petrowsky , am 20. Juli 2009